Aus alten Zeitungen

Auf Rittergut Braußwig bei Borna wurde der Skat erfunden

Die historische Anekdote über Kitzscher

(aus; Amts- Wochen- & Anzeigeblatt für Pegau, Groitzsch und Umgegend vom 5. Juli 1862)

Von einem hochgestellten Beamten wird über die Erfindung des Skatspieles geschrieben:

"Im Jahre 1818 war ich als wohlbestallter Gerichtsactuar1 bei dem eine größere Anzahl Patrimonialgerichte verwaltenden Accisins-pector2 Brunnemann in Borna. Als solcher wurde ich im Monat November zum Kirmeßfeste auf Rittergut Braußwitz3 eingeladen, dessen damaliger Besitzer, ein Kammerjunker4 von Hausen, in Stotternheim bei Erfurt lebte und die Gutsökonomie an einen gewissen Herrn Hempel verpachtet hatte. Bei jener Kirmeß lernte ich dessen jüngsten Bruder, den damals als Schriftsteller, namentlich Verfasser des satirischen Schriftchens: "Nachtgedanken über das ABC-Buch" berühmten, unter dem Autornamen Spiritus Asper bekannten Hof-Advokaten Ferdinand Hempel aus Altenburg persönlich kennen und fand mich durch seine lebhafte und geistreiche Unterhaltung sehr angezogen, gleichwie auch er selbst an mir, obgleich ich wohl um 10 Jahr jünger sein mochte als er, Geschmack zu finden schien. Gegen Abend setzten wir uns nebst einem Dritten - wenn ich mich nicht irre, seinem älteren Bruder, einem als ausgezeichneten Pomologen5 bekannten Pastor im Altenburgischen - zu einem Kartenspiele, welches damals sehr beliebt war und Dreibein genannt wurde. Dieses wurde unter drei Personen mit der deutschen Karte gespielt; aus letzterer wurden die beiden Unter in Roth und Schellen weggelegt, so dass jeder Spieler 10 Karten hatte und die Augen der mitspielenden Karten nach der bekannten Gattung derselben 118 zählten. Sechzig Augen in den gemachten Stichen gaben ein gewonnenes Spiel; auch die Benennung Schneider (unter 30 Augen) und Schwarz (stichlos) kamen meines Erinnerns in diesem Spiel schon vor. Als höchste Trümpfe galten die vier Ober nach der Reihenfolge Eicheln, Grün, Roth und Schellen, und sodann die beiden Unterwenzel in Eicheln und Grün. Es wurde nach den vier Farben in gedachter Reihenfolge getrieben, und wer das Spiel

behielt, gegen den spielten die beiden Anderen. Sehr kurzweilig war diese Unterhaltung eben nicht. Daher legten wir auch an jenem Kirmeßabend die Karten nach einem Stündchen wieder bei Seite, blieben aber noch am Tische sitzen, weil das Abendbrot noch nicht aufgetragen war, und hier kam Ferdinand Hempel auf den Gedanken, das Dreibein könne doch sehr verbessert werden, wenn nicht allemal die beiden Unterwenzel, sondern irgend zwei Blätter weggelegt würden, deren Augen für den Spieler zählten, indem es dann doch etwas zu errathen und zu combiniren gebe. Er brauchte auch dabei, wie ich mich mit Bestimmtheit erinnere, für die zwei wegzulegenden Blätter den schon im Tarokspiele vorkommenden Namen "Skat". Ob er schon damals den Gedanken äußerte, dass das Kaufen oder Liegenlassen der beiden weggelegten Blätter den Werth des Spieles (Frage oder Solo) veränderte, weiß ich nicht mehr genau. Vier Monate darauf, im März 1819, besuchte ich von Borna aus den Roßmarkt in Altenburg. Hofadvokat Hempel begegnete mir und theilte mir sehr freudig mit, dass in Folge unseres Gesprächs an der Braußwiger Kirmeß das Dreibein sehr vervollkommnet und zu einem recht beliebten Spiele gemacht habe, lud mich auch ein, gegen Abend in den Gasthof zur Stadt Gotha zu kommen, wo ich es mitspielen könne. Ich folgte dieser Einladung und sah da zum ersten Male das nach und nach so allgemein beliebt gewordene Scat spielen, ohne jedoch an demselben selbst noch Antheil zu nehmen. Rittergut Braußwig bei Borna ist also der Ort, wo Scat ursprünglich geboren worden ist und Spiritus Asper ist der Vater desselben.

1 Gerichtsschreiber

2 Accise, Abgabe, welche für Konsumtionsartikel bzw. Erzeugnisse innerhallb der Grenzen eines Landes entrichtet wurde

3 Braußwitz wurde 1935 nach Dittmannsdorf eingemeindet.
     später Braußwig OT von Kitzscher

4 Hoftitel ür Edelleute unter 36 Jahren

5 Obstkundler (von lat. pomum - Apfel und griech. logos - Lehre)